Lade...

Im Gespräch mit einem Morbus Crohn-Patienten

Jannik W. ist ungefähr 12 Jahre alt, als er die Diagnose Morbus Crohn erhält. Was die Krankheit damals mit ihm machte und wie es ihm heute geht, das durften wir in einem sehr spannenden Gespräch erfahren.

Im Gespräch mit einem Morbus Crohn-Patienten

Jannik W. ist ungefähr 12 Jahre alt, als er die Diagnose Morbus Crohn erhält. Was die Krankheit damals mit ihm machte und wie es ihm heute geht, das durften wir in einem sehr spannenden Gespräch erfahren.

Jannik, mit ungefähr 12 Jahren wurde bei dir Morbus Crohn diagnostiziert. An was kannst du dich noch erinnern?

Als Kind hatte ich immer mal wieder Bauchschmerzen. Ich kann mich aber nur noch vereinzelt an prägende Momente erinnern, wie zum Beispiel heftiges Bauchweh-Attacken in den Ferien, welche zwischen ein bis zwei Tage dauerten. Wir sind dann zu verschiedenen Ärzten gegangen, um herauszufinden, was das Problem war. Zu Beginn wurde ich auf Allergien, Unverträglichkeiten und weitere allgemeine Ursachen untersucht. Nach diversen Untersuchungen wurde eine Darmspiegelung empfohlen. Eine solche ist für ein Kind in diesem Alter selten und so war natürlich auch die Unsicherheit bei meinen Eltern gross. Mir stand ein dreitägiger Klinikaufenthalt im Kinderspital Zürich bevor. An die Untersuchung selbst mag ich mich nicht mehr erinnern, nur noch, dass sie mir weisse Flüssigkeit (Kontrastmittel) reingelassen haben.

Nach dem Eingriff dann die Diagnose – Morbus Crohn, eine chronische, unheilbare entzündliche Dünndarmerkrankung. Für meine Eltern war dies im ersten Moment schlimm. Ich selbst habe dies gar nie so empfunden und einfach angenommen. An all die darauffolgenden Untersuchungen habe ich praktisch keine Erinnerung mehr, nur an die Spitalaufenthalte, welche ich als Kind nicht toll fand. Das hatte aber weniger mit der Krankheit zu tun, sondern eher mit dem Spitalaufenthalt an sich.

Du bist jetzt 28 Jahre alt. Wie ging es dann weiter nach Diagnosestellung?

Bis ich 19 Jahre alt war, wurde ich im Kinderspital Zürich behandelt. Therapiert wurde ich zu Beginn mit Kortison. Diese Behandlungsmethode hat meine Symptome zwar gelindert, aber so richtig gut ging es mir damit nie. Zu dieser Zeit war die Medizin noch nicht so weit fortgeschritten. All die neuartigen Medikamente waren noch nicht auf dem Markt. Mit 20 Jahren wurde ich dann vom Kinderspital direkt zu Mathias Dolder überwiesen, wo ich auch heute noch in Behandlung bin. Meine Werte waren zu diesem Zeitpunkt nicht wirklich gut und wir haben uns dazu entschieden, auf Biologicals umzusteigen. Biologicals sind neuartige Präparate, welche unter anderem bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen grosse Erfolge erzielen.

Einen weiteren grossen Schub erlitt ich dann mit 22 Jahren, als ich mit meinem Architekturstudium begann. Das Arbeitspensum war hoch, das Stresslevel enorm, so dass ich direkt in einen Schub hineinschlitterte. Für mich war und ist Stress ein direkter Auslöser für meine Schübe. Wir haben dann die Dosis des Medikamentes entsprechend angepasst und die Dosis hochgehalten; es wurde zu diesem Zeitpunkt auch klar, dass die Stenose (15cm Darmentfernung) operiert werden musste. Seither geht es mir verhältnismässig sehr gut. Pro Jahr erleide ich ca. zwei grosse Schübe, welche an die zwei Tage andauern. Für mich sind diese Intervalle sehr überschau- und vor allem handelbar.

Wie gehst du heute mit der Krankheit um?

Da ich die Diagnose bereits als Kind erhalten habe, gehe ich relativ gelassen mit der Krankheit um. Dabei hat mir sicherlich auch die kindliche Leichtigkeit geholfen. Ich habe mich auch nie stark damit auseinandergesetzt, sondern nahm sie immer als einen Bestandteil von mir wahr. Auch habe ich mich nie aktiv mit anderen Betroffenen ausgetauscht, da ich auch nie ein Bedürfnis dafür hatte. Im Laufe des Lebens sind mir dann immer mal wieder andere Betroffene begegnet, mit welchen ich mich dann ausgetauscht habe. Aber selbst aktiv wurde ich diesbezüglich nie.

Hast du eine familiäre Belastung in deiner Familie?

In meiner Familie ist kein Fall von Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa bekannt. Eine familiäre Veranlagung besteht bei uns also nicht.

Merkst du, wann sich ein Schub anbahnt?

Ja, ich merke, wann sich ein Schub anbahnt und kann diesbezüglich auch schnell handeln. Es beginnt damit, dass sich mein Bauch verkrampft. Ich habe dann während ca. einer Minute extreme Bauchschmerzen/-attacken, dann wieder ca. zehn Minuten Pause bis sich die nächste Bauchkontraktion ereignet. Fast so, als würde man in den Wehen liegen. Dieser Anfall dauert dann so über zwei bis drei Stunden bis die Attacken dann allmählich weniger werden und ganz nachlassen. Danach benötige ich noch einige Zeit, um mich zu regenerieren.

Hast du von den Medikamenten Nebenwirkungen?

Klassische Nebenwirkungen verspüre ich eigentlich nicht. Ab und zu habe ich Blut im Stuhl und ich habe keinen regelmässigen Stuhlgang. Auch fühle ich mich ab und zu müde. Ob dies aber nun von den Medikamenten herrührt oder von der Arbeit, kann ich nicht sagen.

Wenn du die Gesellschaft auf das Krankheitsbild Morbus Crohn sensibilisieren könntest, was wäre deine Botschaft?

Da ich sehr gut mit dem Morbus Crohn lebe und praktisch keine Einschränkungen habe, ist es noch schwierig für mich. Ich merke allerdings, dass, wenn ich jemandem von meiner Krankheit erzähle, dass diese im ersten Moment etwas irritiert sind. Denn schliesslich geht es hier um ein Thema, dass immer noch stark stigmatisiert wird. Denn alles was mit dem Thema Stuhlgang zu tun hat, wird immer noch nicht offen angesprochen. Dafür ist es etwas vom natürlichsten auf der Welt. Ich würde sagen: «Hey Leute, hört auf mit Klisches und hört der Person euch gegenüber einfach zu und seid offen.» Ab und an tut es ja auch mal gut, wenn man scherzhaft über solche Themen sprechen kann.

Was ist dir wichtig im Umgang mit dem Arzt deines Vertrauens?

Sehr wichtig ist mir, dass ein Vertrauensverhältnis besteht und die Arzt-Patienten-Beziehung auf einer menschlichen Ebene stattfindet. Und, mein Arzt sollte nicht viel älter als ich sein.

 

Lieber Jannik, herzlichen Dank für deine Offenheit und dass du deine Geschichte mit uns teilst!

Die Geschichte von Jannik macht Mut. Denn auch wenn er gut mit seiner Krankheit umgeht, so hat er seit seiner Kindheit eine chronisch entzündliche Darmerkrankung. Dank seiner Unbeschwertheit, seiner Zuversicht und seiner sehr positiven Einstellung, kann er heute gut damit umgehen. Sein Glück, wie er sagt, ist, dass er nie schwerwiegende psychische Faktoren erleiden musste, wie plötzlicher Stuhldrang mit unerwünschten Folgen in der Öffentlichkeit oder anderen belastenden Situationen in seinem Alltag. Er ist zum Glück sehr gut eingestellt und dies schon über Jahre. Das sind aus seiner Sicht sicherlich wichtige Faktoren, welche ihm die Annahme und den Umgang damit sehr erleichtern.

 

Zurück zur Übersicht